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Ein Sturz und die Folgen

Meckelfeld: Es war stockdunkel vor dem Gymnasium, als Gretel Schwabe dort schwer stürzte. Doch der Landkreis Harburg weist die Verantwortung weit von sich.

von Rachel Wahba

Erschienen im Hamburger Abendblatt vom 07.02.2005

Meckelfeld - Dem Landkreis Harburg droht eine Klage wegen Verletzung der Verkehrssicherheit. Die Klägerin, Gretel Schwabe aus Sieversen, und ihr Buchholzer Anwalt Jürgen Hennemann fordern vom Landkreis Schmerzensgeld in Höhe von 15 000 Euro und eine finanzielle Entschädigung.

Am 23. September vergangenen Jahres besuchte die 68 Jahre alte Rentnerin gemeinsam mit ihrem Mann Diedrich (73) einen Musikkursus der Kreisvolkshochschule in den Räumen des Meckelfelder Gymnasiums. "Wir lieben beide Musik und besuchen schon seit über 20 Jahren verschiedene Kurse der Volkshochschule", sagt der musikbegeisterte Diedrich Schwabe. Als der Kursus an diesem Abend um 21.40 Uhr endete, war es draußen stockdunkel. Auf dem Weg vom Eingang der Schule bis zur Bushaltestelle, neben der die Schwabes und andere Kursteilnehmer ihr Auto geparkt hatten, brannte keine Beleuchtung.

"Weil es so dunkel war, hatte meine Frau sich bei mir eingehakt. Ihr war wenige Monate vorher eine neue Hüfte auf der linken Seite eingesetzt worden, deswegen waren wir sehr vorsichtig", erzählt Diedrich Schwabe. Das Ehepaar ging ganz langsam auf dem Weg zum Auto, trotzdem rutschte die Rentnerin auf der dreistufigen Treppe mit dem linken Fuß aus, verlor das Gleichgewicht, krachte mit dem Fuß gegen die Kante der zweiten Stufe und erlitt einen Bänderausriß. Außerdem brach sich Gretel Schwabe den Fersenknochen an, was später im Buchholzer Krankenhaus festgestellt wurde.

Sechs Wochen lang konnte Gretel Schwabe das Haus kaum verlassen, war auf Gehhilfen angewiesen. "Ich hatte wahnsinnige Schmerzen. Die Reaktion der Rechtsabteilung auf meinen Unfallbericht, den ich nach Winsen geschickt hatte, empfinde ich als geradezu herzlos und unmenschlich. Die Angelegenheit wurde als banal abgetan, und es hat bisher niemand vom Landkreis es für nötig befunden, mir wenigstens mal gute Besserung zu wünschen", sagt die Rentnerin, die überaus enttäuscht vom Verhalten der Rechtsabteilung ist. Der Landkreis Harburg, Träger des Gymnasiums und somit für die Sicherheit auf dem Schulgelände verantwortlich, bestreitet jede Schuld. Hans-Christian Schimmelpfennig, Leiter der Abteilung Recht des Landkreises Harburg, hält die Angelegenheit zwar für "außerordentlich bedauerlich", ein schuldhaftes Handeln sei dem Kreis allerdings keineswegs vorzuwerfen. Schimmelpfennig: "Um 18.30 Uhr hat der Hausmeister die Beleuchtung vor dem Schuleingang eingeschaltet. Da funktionierte sie. Als der Unfall passierte, funktionierte sie nicht mehr. Die Frage ist jetzt, ob der Hausmeister nach 18.30 Uhr noch einmal hätte kontrollieren müssen, ob die Beleuchtung intakt war. Nach unserer Auffassung ist das nicht seine Pflicht."

Anwalt Hennemann wirft dem Landkreis vor, Zeugen einzuschüchtern und Beweise zu manipulieren, und das, obwohl der Kreis als Gebietskörperschaft vornehmlich seinen Bürgern gegenüber verantwortlich sei. Laut Rechtsabteilung muß der Ausfall der Lampen "seine Ursache darin gehabt haben, daß Jugendliche, mit kräftigen Fußtritten randalierend gegen die Masten oder gegen einen der Masten der Kugellampen getreten hatten. Infolge eines dadurch entstandenen Kurzschlusses war die Beleuchtung entlang des gesamten Weges ausgegangen".

Diese Ursachenforschung hält der Buchholzer Haftungsspezialist und Fachanwalt für Versicherungsrecht für völlig absurd. Hennemann: "Da wird ein anonymisierter Hausmeister herangezogen, der vermutet, daß unbekannte Jugendliche den Kurzschluß verursacht hätten. Und daraus leitet Herr Schimmelpfennig die Unschuld des Kreises her. Wir haben die Aussage eines Gutachters, daß der besagte Lampenmast keine Anzeichen von Zerstörung aufweist, und daß die angeblichen Fußtritte von Jugendlichen gegen einen Lampenmast keinen Kurzschluß auslösen können. Eine Mitarbeiterin der Verwaltung konnte bezeugen, daß der Schulleiter gegen 22 Uhr, nachdem auch andere Kursteilnehmer und Mitglieder des Elternrates, der ebenfalls an diesem Abend tagte, bereits gestürzt waren, das Licht trotz angeblichen Kurzschlusses wieder angemacht hat. Dieser Mitarbeiterin wurde inzwischen ein Maulkorb verpaßt."

"Von Versicherungen erlebe ich derartige Versuche, sich aus der Affäre zu ziehen, ständig. Bei einer Gebietskörperschaft habe ich so etwas noch nicht erlebt. Hier versucht der Landkreis Harburg auf wenig charmante Art zu manipulieren. Und ich frage mich, wie dieser Landkreis in schwerwiegenderen Fällen reagieren würde", so der Buchholzer Jurist, der bundesweit tätig ist. Die Schwabes wollen für ihr Recht klagen, und sie wollen, daß die Angelegenheit aufgeklärt wird. Deswegen scheuen sie auch nicht den Weg vors Gericht.