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Start Presse/Medien Arzthaftung "Auf dem Krankenhausflur vergessen"
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"Auf dem Krankenhausflur vergessen"

Krankenhaus zahlt Patientin wegen Organisationsverschulden eine Entschädigungssumme in Höhe von 15.000 €.

Die Vorfreude auf einen berufsbedingten Auslandsaufenthalt in Australien währte nicht lange. Obwohl die junge Rechtsreferendarin Ute W. ihren Sitzplatz im Flugzeug bereits eingenommen hatte, sah sie sich aufgrund plötzlich eintretender, unerträglicher Schmerzen im Unterbauch dazu gezwungen, das Flugzeug - auch auf eindringliches Anraten ihrer Mitpassagiere, die den schlechten Zustand der jungen Frau sofort bemerkt hatten - gegen 12.15 Uhr zu verlassen.

Die junge 29-jährige Frau wurde sofort in die Notfallaufnahme des Flughafens Frankfurt verbracht. Dort veranlasste man nach ersten Untersuchungen und der Diagnose eines "akuten Schmerzereignis (Abdomen) im rechten Unterbauch, Ovarialzysten bekannt", gegen 12.30 Uhr den sofortigen Transport in die Uni-Klinik Frankfurt.

Gegen 13.00 Uhr gelangte die junge Frau in die Obhut der dortigen Notaufnahme. Zu diesem Zeitpunkt konnte Ute W. noch nicht erahnen, dass ihr nun ein fünfstündiges Martyrium bevorstehen sollte. Nach ersten Untersuchungen und der Einleitung erster Behandlungsmaßnahmen stellte die behandelnde Ärztin der Notfallaufnahme die richtige Diagnose einer "gedrehten Ovarialzyste rechts". Eine Zyste hatte sich um den rechten Eierstock gedreht und drohte dessen Blutversorgung aufzuheben. Ute W. wurde daraufhin in den gynäkologischen Fachbereich der Uni-Klinik Frankfurt überwiesen.

Uhrzeit: 14.30 Uhr. Seit der Aufnahme in der Notfallambulanz waren bereits 1 ½ Stunden vergangen. Noch immer lag Ute W. verängstigt und von Schmerzen geplagt auf den Fluren der Uniklinik Frankfurt. Ihre Überweisung in die Gynäkologie war lediglich auf dem Papier erfolgt. Die Schmerzen der Patientin wurden immer unerträglicher - doch seitens der Uni-Klinik geschah weiterhin nichts.

Endlich! Gegen 17.00 Uhr: Fünf Stunden nachdem die Patientin das Flugzeug verlassen hatte, vier Stunden nachdem sie in der Notfallaufnahme der Uniklinik Frankfurt aufgenommen wurde, wurde Ute W. - draußen hatte bereits die Dämmerung eingesetzt - in die gynäkologischen Fachabteilung der Uniklinik Frankfurt verlegt.

Dort bestätigte sich sofort die Diagnose einer "gedrehten Ovarialzyste" und eines "akuten Abdomens". Man erkannte, dass nun ein schnelles Handeln geboten war, um einen lebensbedrohenden Zustand der Patientin zu verhindern.

Um 17.30 Uhr willigte Ute W. in die notwendige Operation ein. Eine weitere Stunde später, um 18.35 Uhr, - 5 ½ Std. nach Aufnahme in die Uniklinik Frankfurt -, wurde die junge Rechtsreferendarin endlich operiert. Im Rahmen dieser ordnungsgemäß und komplikationslos verlaufenden Operation mussten der jungen Frau der linke Eierstock und der linke Eileiter entfernt werden. Bei rechtzeitigem Handeln hätte dieser schwere Eingriff verhindert werden können.

Es folgte – fast schon erwartungsgemäß – die haftungsrechtliche Auseinandersetzung mit dem Universitätsklinikum Frankfurt und dem dahinter stehenden Arzthaftpflichtversicherer. In typischer Manier wurde versucht, den Sachverhalt zu verdrehen, die physischen und psychischen Beeinträchtigungen der Patientin zu bagatellisieren und eine Entschädigungszahlung zu verweigern, sodass Ute W. schließlich gezwungen war, Klage vor dem Landgericht Frankfurt zu erheben. Dort bedurfte es erst sehr eindringlicher Worte des Gerichts gegenüber dem beklagten Klinikum, bevor dieses schließlich zur Vermeidung einer Verurteilung einlenkte und sich im Wege eines Vergleichs mit Ute W. auf ein an diese zu zahlendes Schmerzensgeld in Höhe von Euro 15.000,00 einigte.

Ob diese auch in ähnlichen Fällen ausgeurteilte Schmerzensgeldsumme tatsächlich eine angemessene Genugtuung und einen Ausgleich für die unsäglichen Schmerzen, den Organverlust und das damit einhergehende, erhöhte Risiko einer ungewollten Kinderlosigkeit der jungen Patientin darstellt, mag bezweifelt werden. Vielmehr hat es den Anschein, dass das deutsche Recht insgesamt allzu gnädig die wirtschaftlichen Interessen von Versicherern berücksichtigt, die regelmäßig hinter den Schädigern stehen.