Donnerstag, den 28. April 2011 um 00:00 Uhr
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Versicherung lässt nicht locker

Auf Antrag der VGH soll Gutachter feststellen, ob sich die Sehkraft des Glasauges von Dennis M. verbessert hat.

Erschienen in der Harburger Rundschau vom 28.04.2011

Hittfeld. Am Freitag, 9. Oktober 2009, änderte sich für den damals 25 Jahre alten Dennis M. aus Hittfeld das Leben. An diesem Freitagnachmittag bringen Dennis M. und seine Mutter die ersten Möbel in Dennis' neues Zuhause, das ehemalige Haus seiner Großeltern - Baujahr 1950. Der junge Maler und Lackierer, der gerade seine Gesellenprüfung bestanden hat, freut sich auf den Auszug, auf sein eigenes Leben, unabhängig von den Eltern.

Da passiert das Unglück: Im Badezimmer stürzt Dennis, fällt mit seinem linken Auge in die viereckige Metallstange einer Badezimmer-Armatur. Dennis wird ohnmächtig. Als er wieder zu Bewusstsein kommt, kniet seine Mutter neben ihm. Der junge Mann liegt inmitten von Blut und Augenflüssigkeit.

Stunden später sagen ihm die Ärzte in der Hamburger Augenklinik Heidberg, dass er nie wieder mit dem linken Auge würde sehen können. Das verletzte Auge wurde inzwischen entfernt und durch eine Prothese ersetzt. Die Harburger Rundschau berichtete damals über den Fall. Nach über einem Jahr hat sich Dennis nun wieder im alltäglichen Leben zurecht gefunden, kann wieder Auto fahren, kann sogar wieder seinen Beruf als Maler ausüben.

Dennis hat gelernt, mit einem Auge fast so gut zu sehen, wie andere Menschen mit zwei Augen. Sein rechtes Auge hat jetzt eine Sehkraft von 120 Prozent. Aber zur Ruhe kommt der junge Mann dennoch nicht. Die VGH Versicherungsgruppe hat ihn jetzt zu einer Augenuntersuchung ins Universitätskrankenhaus Eppendorf einbestellen lassen. Dort wurde sein gesundes rechtes Auge eingehend untersucht. "Die beiden Ärzte haben ungefähr eine Stunde lang sein rechtes Auge untersucht. Als sie dann auch noch Tropfen verabreichen wollten, um den Augen-Innendruck zu messen, hat es mir gereicht. Ich sagte ihnen, dass ich es nicht zulasse, dass an dem gesunden Auge herum gedoktert wird", sagt Brigitte M. Daraufhin sei die Untersuchung abgebrochen worden, sagt Dennis' Mutter.

Die VGH Versicherungsgruppe, bei ihr hatte Dennis eine Unfallversicherung abgeschlossen, verweigerte nach Dennis' Sturz den Versicherungsschutz. Die Begründung: Dennis sei vor dem Sturz ohnmächtig geworden, damit handele es sich nicht um einen Unfall. Die Familie schaltete den Buchholzer Fachanwalt für Versicherungsrecht, Jürgen Hennemann, ein.

Der erhob für seinen Mandanten Klage. Es kam zur Verhandlung, zu der die VGH nicht erschien. Das Gericht verurteilte die Versicherung in Abwesenheit zur Zahlung von 50 000 Euro Unfallentschädigung und einer Rente für den jungen Mann, der inzwischen eine Augenprothese trägt. Aber abgeschlossen scheint der Fall für die VGH noch längst nicht zu sein, trotz rechtskräftiger Verurteilung.

Auch nach einer Schadensregulierung kann eine Versicherung durch medizinische Gutachten klären lassen, ob sich der Gesundheitszustand eines Unfallopfers in der Zwischenzeit verbessert hat. So können gegebenenfalls bereits gezahlte Schmerzensgelder teilweise zurück gefordert oder Rentenzahlungen eingestellt werden. Nur: Wie soll sich die Sehkraft eines Glasauges verbessern?

Brigitte M.: "Die linke Seite, die damals verletzt worden war, wurde auch gar nicht untersucht. Dennis musste nicht einmal die Prothese heraus nehmen." "Diese Art der Schadensbearbeitung ist schon bizarr und nicht mehr nachvollziehbar. Da soll ein Glasauge daraufhin untersucht werden, ob sich dessen Sehfähigkeit eventuell seit der Schadensregulierung gesteigert hat. Bei dem Termin wird dann nicht das verletzte Auge, sondern das gesunde Auge, das niemals Gegenstand der Anspruchsanmeldung war, untersucht. Und obendrein soll auch noch durch das Einbringen von Chemikalien das verbliebene gesunde Auge unnötig gefährdet werden, hätte die Mutter nicht interveniert", sagt Jürgen Hennemann.

Brigitte M. monierte nach der Untersuchung bei der VGH, dass bei dem Termin ausschließlich das gesunde Auge ihres Sohnes untersucht worden sei. Die Sachbearbeiterin der Versicherung antwortete in einem Schreiben: "Bezüglich der Untersuchung im Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf können wir Ihnen nur mitteilen, dass wir den Arzt gebeten hatten, das verletzte Auge zu untersuchen. Wieso es für den Gutachter jetzt erforderlich war, das andere Auge ebenfalls zu untersuchen, entzieht sich unserer Kenntnis. Hier muss das Gutachten abgewartet werden."