kanzlei-hennemann

  • Schrift vergrößern
  • Standard-Schriftgröße
  • Schriftgröße verkleinern
Start Presse/Medien Radarkontrolle Poliscan nicht zuverlässig?
E-Mail Drucken

Poliscan nicht zuverlässig?

Mannheimer Urteil hebelt Bußgeldbescheide aus.

Beitrag in den Harburger Anzeigen und Nachrichten vom 05.09.2009

Seit einiger Zeit setzt die Polizei das Gerät PoliscanSpeed ein. Es kann auch in Kurven, Tunneln und auf mehrspurigen Fahrbahnen sowie in zwei Richtungen gleichzeitig Temposünder erfassen, da der Aktionsbereich des Gerätes eine Strecke von rund 75 Metern umfasst. Doch PoliscanSpeed hält offenbar nicht, was es verspricht. Was Autofahrer im Falle eines Bußgeldbescheides tun können, erläutert der Fachanwalt für Verkehrsrecht, Patrick Jahns aus der Buchholzer Kanzlei Hennemann, im Gespräch mit HAN-Mitarbeiterin Corinna Panek.

HAN:

Das PoliscanSpeed-Gerät wird schon von vielen Landkreisen und Städten eingesetzt. Was sind die Besonderheiten?

Patrick Jahns:

Das Gerät erfasst einen Streckenabschnitt von etwa 75 Metern, dabei werden bei einer Entfernung von etwa 50 bis 20 Metern 100 Messungen pro Sekunde durchgeführt. Liefert ein Fahrzeug über eine zusammenhängende Strecke von zehn Metern auswertbare Signale wird die Messung digital aufgezeichnet. PoliscanSpeed gibt es als stationäre Anlage, eine silberne Säule mit schwarzen "Streifen", und als mobile Anlage, die im Kofferraum oder am Straßenrand aufgestellt wird. Das Gerät kann zum Beispiel bis zu drei Fahrspuren und den Verkehr in beiden Richtungen gleichzeitig erfassen.

Obwohl der Hersteller das Gerät als zuverlässig anpreist, ist kürzlich ein Bußgeldverfahren vor dem Amtsgericht Mannheim eingestellt worden. Was sind die Hintergründe?

Inzwischen haben verschiedene Sachverständige die Zuverlässigkeit der Messergebnisse in Frage gestellt - insbesondere bei der Erfassung mehrerer Fahrzeuge: So lassen sich die Messdaten auf einem Foto mit mehreren Fahrzeugen nicht eindeutig zuordnen. Außerdem definiert der Hersteller nicht die "geforderte Güte" der Messungen, das heißt, er teilt nicht mit, welche Anforderungen er an einen gültigen Messwert stellt und wie das Gerät die Qualität eines Messwertes auf seine Genauigkeit hin überprüft.

Ist das Mannheimer Urteil allgemeinverbindlich oder muss jeder Fall einzeln verhandelt werden?

Die Landkreise versuchen weiterhin, Verstöße zu ahnden und Verursacher zur Rechenschaft zu ziehen, jeder Fall ist ein Einzelfall. Nach meiner Einschätzung wissen auch noch gar nicht alle Richter von dem Mannheimer Urteil. Ein Bußgeldverfahren wird in der Regel erst bei Hinweis auf dieses Urteil eingestellt

Sie haben auch einen Buchholzer Autofahrer, der von PoliscanSpeed "geblitzt" wurde, erfolgreich vertreten. Können Sie bitte die Einzelheiten schildern?

Es handelte sich um einen Autofahrer, der beruflich viel unterwegs ist. Er wurde auf der A1 in Schleswig-Holstein, im Bereich des Kreises Segeberg, von einem Poliscan-Gerät erfasst. Die Geschwindigkeitsübertretung hat in einem Bereich gelegen, der ein Fahrverbot bedeutet hätte. Auf eine Anhörung hatte der Mann verzichtet, sodass ein Bußgeldbescheid erteilt wurde. Ich habe Einspruch eingelegt, die Akte angefordert und anhand des Mannheimer Urteils begründet, dass nicht nachweisbar ist, dass die Messung korrekt gewesen ist. Zusätzlich habe ich angeboten, auf ein Sachverständigengutachten zu verzichten, wenn das Bußgeld auf unter 40Euro reduziert und kein Fahrverbot verhängt wird. Der Kreis Segeberg hat das Verfahren darauf vollständig eingestellt.

Was raten Sie Autofahrern, die mit PoliscanSpeed geblitzt wurden? Erfahren sie überhaupt von der Messmethode?

Das ist unterschiedlich: Manche Landkreise teilen die Messmethode mit dem Anhörungsbogen mit, in anderen Fällen erfährt man die Messmethode erst, wenn dem Anwalt Einsicht in die Ermittlungsakte gewährt wurde. Wenn es nur um eine geringe, nicht von PoliscanSpeed ermittelte Geschwindigkeitsüberschreitung geht, ist es für denjenigen, der die Überschreitung letztlich nicht ernsthaft anzweifeln kann, günstiger und weniger aufwendig, das Verwarnungsgeld zu zahlen, da ein Bußgeld wesentlich höher ist und Verfahrenskosten mit sich bringt. Insbesondere bei von PoliscanSpeed festgestellten Verstößen oder wenn Fahrverbot droht, ist es ratsam, Rechtsbeistand in Anspruch zu nehmen.

Kann man mit solchen Argumentationen nicht auch herkömmliche Messungen anfechten?

Leider nur eingeschränkt - die meisten Messmethoden zählen zu den standardisierten Verfahren und sind gerichtlich anerkannt. Das heißt, aus der standardmäßigen, vom Hersteller vorgeschriebenen Bedienung und aus vorausgehenden Geräteüberprüfungen kann man schließen, dass die Geräte zuverlässig arbeiten. Es kommen jedoch auch insoweit immer wieder fehlerhafte Bedienungen der Geräte vor. Man muss auch unterscheiden: Wird mit der Laserpistole gemessen, kann man aufgrund der Streuung des Laserstrahls, wenn zwei Fahrzeuge nebeneinander fahren, unter Umständen genau wie bei PoliscanSpeed nicht sagen, welches zu schnell war.

Ist das nicht ein Freibrief zum Rasen, wenn der Fahrer weiß: Bei Poliscan passiert mir nichts, das kann ich ja anfechten?

Wer derart abgebrüht ist, geht vielleicht das Risiko ein, es ist aber davon auszugehen, dass der Hersteller bereits dabei ist, nachzubessern - dahingehend, dass Sachverständige die korrekte Messung bestätigen können. Man kann nicht genau sagen, ob ihm dies gelingt und wie schnell die Entwicklung vorangeht, aber wie man es von anderen Technologien wie Handy und Digitalkamera kennt, arbeiten Firmen laufend daran, noch bessere Produkte auf den Markt zu bringen.