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Private Unfallversicherung

Zahlungsverweigerung wegen Patientenverfügung.

Beitrag in ARD-Plusminus, Sendung vom 08.04.2008



Mit einer Unfallversicherung kann man nicht nur sich selbst, sondern für den schlimmsten Fall auch die Hinterbliebenen versorgen. Doch immer wieder versuchen Versicherer, sich im Fall des Falles vor der Zahlung zu drücken - zum Beispiel bei Vorliegen einer Patientenverfügung.

Am 13. November 2007 stürzte Margaretha G. in ihrer Wohnung. Dabei brach sich die 86-jährige einen Oberschenkel. Da sie nicht mehr aufstehen konnte, musste sie die gesamte Nacht auf dem Boden verbringen. Erst am folgenden Morgen wurde sie gefunden und in kritischem Gesundheitszustand auf die Intensivstation der Unfallklinik Ludwigshafen gebracht.

Am Folgetag konnte der Bruch operativ behandelt werden, doch danach verschlechterte sich der Zustand der Patientin zunehmend. Schließlich wurde die künstliche Beatmung notwendig - doch Margaretha G. hatte sich in einer Patientenverfügung gegen lebenserhaltende Maßnahmen entschieden. Zwei Tage später starb die betagte Dame. Den Folgen des Unfalls war sie gesundheitlich nicht mehr gewachsen.

Verletzung angeblich nicht lebensgefährlich

Für diesen Fall hatte Margaretha G. vor vielen Jahren eine Unfallversicherung bei der Versicherungskammer Bayern mit einer Todesfallsumme von etwa 10.000,- € abgeschlossen. Dort reichte ihre Tochter die Unfallanzeige ein. Einige Wochen später antwortete das Unternehmen und lehnte die Zahlung des Betrags kategorisch ab. Dies sei nur möglich, „... wenn der Unfall ursächlich für das Ableben ... gewesen wäre. Die erlittene Verletzung konnte jedoch nicht als lebensgefährdend eingestuft werden."

Geschlossene Ursachenkette

Für Jürgen Hennemann ein bekanntes Argument. Der Fachanwalt für Versicherungsrecht weiß, dass Versicherungsunternehmen immer wieder Zahlungen mit dieser Begründung ablehnen. Doch die Folgen eines Unfalls, etwa Komplikationen oder gar der Todesfall im Krankenhaus, seien in einer geschlossenen Ursachenkette vom Versicherungsvertrag umfasst. Der Anwalt bezeichnet das sogar als kleines Einmaleins des Versicherungsrechts, dass jedem Versicherer und den dort tätigen Juristen bestens bekannt sei.

Auf Nachfrage von PLUSMINUS bestätigt die Unfallklinik Ludwigshafen, dass der Sturz sehr wohl eine lebensbedrohliche Belastung war und der Tod mittelbar durch den Unfall verursacht wurde.

Patientenverfügung als Buhmann

Sicherheitshalber nennt die Versicherung noch einen weiteren Ablehnungsgrund und schiebt auch der Patientin Schuld zu: „Zudem ist das Ableben auch deshalb erfolgt, weil keine invasiven Maßnahmen erwünscht und auch nicht eingeleitet wurden.“ Im Klartext bedeutet das: Aufgrund der Patientenverfügung will die Versicherungskammer Bayern nicht zahlen. Ein starkes Stück, denn immerhin haben Millionen Erwachsener hierzulande eine entsprechende Willenserklärung verfasst. Kann eine Unfallversicherung zu Recht die Zahlung wegen einer Patientenverfügung verweigern? Das halten unseren Recherchen zufolge viele Juristen für unsinnig - zumal die Patientenverfügung in der Regel erst dann greift, wenn die Krankheit in ihrem Verlauf nicht mehr aufgehalten werden kann.

Wir haken bei der Versicherungskammer Bayern nach. Ein Interview vor der Kamera lehnt das Unternehmen ab und bleibt bei seiner fragwürdigen Haltung. In einer schriftlichen Stellungnahme heißt es, dass der Unfall den Tod nicht verursacht, sondern ein Geschehen in Gang gesetzt habe, an dessen Ende der Tod stand. Und weiter: „Die eigentliche Ursache war, ... der schlechte Allgemeinzustand, die geringen Abwehrkräfte sowie die aufgrund der Patientenverfügung nicht durchführbaren medizinischen Maßnahmen nach der Operation.

Absurde Argumentationen

Fachanwalt Jürgen Hennemann kennt das Problem. Man beobachte seit geraumer Zeit, dass Versicherern eigentlich kein Argument absurd oder gar grotesk genug sei, um es nicht ins Feld zu führen - um sich der eigenen Leistungsverpflichtung zu entziehen. Versicherer setzten die Zeitkarte ganz gezielt und ganz strategisch gegen die Versicherungsnehmer ein, um diese letztlich mürbe zu machen. Das geschehe in der Hoffnung, dass diese ihre Ansprüche letztlich ganz aufgeben. In dieses Szenario spiele auch hinein, dass letztlich die Patientenverfügung nun dafür herhalten soll, um sich der Leistungsverpflichtung zu entziehen.

Die Angehörigen von Margaretha G. wollen sich nicht auf einen langen Gerichtsstreit einlassen. Ärgerlicher Schlusspunkt: Ende März 2008 hat die Versicherungskammer Bayern eine neue Jahresprämie für die längst erloschene Unfallversicherung abgebucht.