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Feuerversicherer unter Generalverdacht

Die Industrieversicherer schreiben seit 2003 wieder Gewinne. Die Prämien sind gestiegen, die Schadensleistungen gefallen. Kritiker werfen ihnen vor, die Regulierung der Fälle zu verzögern und Entschädigungen zu verweigern.

von Christina Anastassiou

Erschienen in der Welt am Sonntag vom 15.10.2006

Grossfeuer in Hamburg. In der Nacht zum 2. Dezember 2005 brannte eine Kerze am Adventsgesteck im Verkaufsraum von "Uhren Becker" herunter. Die Flammen vernichteten Teile der Ware und des achtstöckigen Stammhauses, das nun komplett verrußt ist. Dem Juwelier zufolge dürfte der Schaden etwa acht Millionen Euro betragen.

Die Kriminalpolizei ermittelt wegen des Verdachts auf Brandstiftung gegen Mitinhaber Andreas Giercke, der die Beschuldigung als "völlig haltlos" zurückweist. Zuvor hatten die Versicherer des Juweliers unter Leitung der Hamburger Feuerkasse versucht, dem Inhaber grobe Fahrlässigkeit nachzuweisen. Gierckes Anwalt hat am letzten Mittwoch Akteneinsicht erhalten.

Die Geschichte erinnert an Vorgänge, die Rechtsanwalt Jürgen Hennemann aus Buchholz auch bei anderen Brandschäden beobachtet. "Die Versicherer verzögern Fälle systematisch und versuchen damit, Entschädigungszahlungen gänzlich zu verweigern oder diese bestmöglich zu reduzieren", sagt der Fachanwalt für Versicherungsrecht.

Hennemann zufolge gehen die Versicherungen nach einem Firmenbrand einen Katalog aus vier Fragen durch. Zündelte der Chef selbst? Handelte der Inhaber grob fahrlässig? Verstieß der Betrieb gegen Bauvorschriften? Oder verletzte er weitere Obliegenheiten des Vertrags? Lässt sich nur eine Frage mit Ja beantworten, muss der Versicherer nicht zahlen. So sah es zunächst auch bei der Firma Saarpor aus, deren Fabrikhalle im lothringischen Saargemünd 2003 abbrannte.

Hier wollte die Provinzial Rheinland nicht für den Sechs-Millionen-Euro-Schaden aufkommen. Sie begründete dies unter anderem mit Filtern, die der Inhaber nicht fachgerecht entsorgt habe. Der Hersteller von Dekorations- und Dämmstoffen holte sich Rat bei Rechtsanwalt Hennemann und widerlegte Vorwürfe mit eigenen Gutachten. Beide schlugen einen Vergleich für den Substanzschaden auf drei Millionen Euro vor, den der Versicherer ablehnte. Der Fall landete vor dem Landgericht Saarbrücken.

Als es auf eine Verurteilung der Provinzial Rheinland hinauslief, bot die Versicherung einen Vergleich auf vier Millionen Euro an - eineinhalb Jahre nach dem Brand. Die anfängliche Weigerung hat den Versicherer eine Million Euro gekostet. "Wir waren glücklicherweise so liquide, dass wir die Verzögerung gut überstanden haben. Aber das Verhalten der Versicherung ist mit dem zweifelhafter Organisationen vergleichbar", sagt Saarpor-Chef Ludger Ewers.

Fachanwalt Hennemann ist davon überzeugt, dass die Versicherungen ihre Kunden regelmäßig hinhalten. "Fließt nach dem Brand kein Geld, sind die Geschädigten oft finanziell derartig unter Druck, dass sie sich auf einen unakzeptablen Vergleich einlassen oder sogar Insolvenz beantragen müssen. Der Insolvenzverwalter akzeptiert einen Vergleich meist schneller als der Inhaber", sagt Hennemann.

Die Versicherer weisen die Verdächtigungen zurück. "Den Vorwurf, dass Versicherer restriktiver mit Feuerschäden umgehen, kann ich für unser Haus nicht bestätigen", sagt Peter Windheim, Leiter Sachversicherung Industrie beim Haftpflichtverband Deutscher Industrien (HDI). Es bringe nichts, Fälle zu verzögern. Zahlen müssten die Versicherer trotzdem. Nur selten habe der Versicherte nachweislich gegen die Regeln verstoßen.

Reinhard Just, Schadenspezialist beim Deutschen Versicherungs-Schutzverband in Bonn, kann zwar erkennen, dass "die Versicherer einem vertraglich bedeutenden Fehlverhalten des Versicherungsnehmers nachspüren", wenn sie dafür Anhaltspunkte sehen. "Es gibt jedoch keine breit am Markt angelegte, systematische Zermürbungstaktik der Sachversicherer gegenüber ihren Kunden", sagt Just.

Offensichtlich ist jedoch, dass wenige, erfolgreiche Versicherer den Markt beherrschen. Die Macht konzentriert sich auf Allianz, HDI-Gerling, Zürich und Axa. "Seit 2003 schreiben die Anbieter in der industriellen Feuerversicherung technische Gewinne", sagt Maximilian Teichler, Geschäftsführer der deutschen Niederlassung des britischen Versicherungsmaklers Willis.

Ihre Schadensquoten konnten sie drastisch senken. Nach Angaben der Deutschen Versicherungswirtschaft kamen 2001 auf 100 Euro Beitragseinnahmen 130 Euro an Schadensleistungen, bezogen auf Feuer-Industrie und Feuer-Betriebsunterbrechung. 2005 waren es nur noch 67 Euro. Die Einnahmen aus den Beiträgen sind also gestiegen, die Ausgaben für Schäden gesunken.

Versicherte sollten auf jeden Fall um ihr Geld kämpfen. "Nach einem Brand sollte der Geschädigte nicht das Gutachterverfahren wählen, das ihm sein Versicherer schmackhaft macht", sagt Hennemann. Dieses führe oft zu lächerlichen Entschädigungen und schneide den Weg vor die ordentlichen Gerichte ab. Hennemann empfiehlt stattdessen, eigene Gutachten in Auftrag zu geben und bei Bedarf zu klagen. Im Falle Saarpor hat das geholfen.